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Postwertzeichen-Sammler-Verein Mannheim e. V.

In Memoriam Bahnpost

So fing sie an in Deutschland, die verblichene Bahnpost: Am 1. April 1848 in Baden- und nicht am
1. Mai 1849 in Preußen, wie man es gewöhnlich darstellt.

Wen das noch nicht überzeugt, dem kann man als Beweis einen Brief aus Mannheim vorlegen, der am
14. April 1848 geschrieben, am 15. in Mannheim zur Post gegeben und am 16.(/17.) mit dem
E(isen)B(ahn)Curs II von Heidelberg nach Schliengen (s.o.) transportiert wurde. Das ist nach der Meinung von Fachleuten der älteste erhaltene Bahnpostbrief in Deutschland. Er ist Teil einer umfangreichen Korrespondenz, die von Badenkennern "Wohlenbriefe" genannt wird und für Mannheim mindestens seit 1833 zu belegen ist.

(Im Sammler-Echo hier Abbildung des Briefes)(

Die Anfänge der Eisenbahn in Baden.

Die erste Bahnstrecke in Baden von Mannheim nach Heidelberg wurde als 33. in Deutschland am
12. September 1840 eröffnet.

(Im Sammler-Echo hier Übersicht zum Fahrplan  Mannheim-Heidelberg)

Der Mannheimer Bahnhof lag an der Südseite des Tattersall und wurde erst später im Zusammenhang mit dem Bau der Rheinbrücke 1867 an die heutige Stelle verlegt.

(Im Sammler-Echo hier Teilansicht Mannheim - Stich)

Inbetriebnahme der einzelnen Bauabschnitte der badischen Bahn:

Datum

Strecke

bad.Wegstd.

km

Summe km

12.09.1840

Mannheim-Heidelberg

4 1/4

18,9

18,9

10.04.1843

Heidelberg-Karlsruhe

12 1/8

53,9

72,8

01.05.1844

Karlsruhe-Rastatt

5 3/8

23,9

96,7

06.05.1844

Rastatt-Oos

2

8,9

105,6

01.06.1844

Oos-Offenburg

9

40

 

 

Appenweier-Kehl

2 3/4

12,2

157,8

25.07.1845

Oos-Baden

1

4,4

162,2

01.08.1845

Offenburg-Freiburg

14 1/8

62,7

224,9

01.06.1847

Freiburg-Müllheim

6 1/2

28,9

253,8

15.06.1847

Müllheim-Schliengen

1 3/8

6,1

259,9

08.11.1848

Schliengen-Efringen

3 3/8

15,0

274,9

22.01.1851

Efringen-Haltingen

1 3/8

6,1

281

20.02.1855

Haltingen-Basel Bad. Bhf.

1 1/3

5,9

286,9

An der Strecke nach Heidelberg baute man über zwei Jahre, gewann aber die Erfahrung dafür aus eigenen Kräften. Sie wurde übrigens voll eingezäunt, zum kleineren Teil mit Stangen, zum größeren erst mit Maulbeerbäumen, später mit Weiden und Waldgesträuch. Außerdem baute man auf der 18,9 km langen Strecke 19 Bahnwartshäuser und besetzte sie alle. Die weiteren Strecken wurden schneller gebaut. Auf den letzten Kilometern vor Basel zögerte man, um nicht den Schweizern das Umschlaggeschäft vor die Türe zu liefern.

Post und Eisenbahn.

So wie die Eisenbahn recht bald auf ihren Strecken die Reisenden der Fahrpost, Eilpostwagen und Extrapost an sich zogen, und sich die Post einige Zeit mit großräumigeren "Postomnibussen" mit billigeren Tarifen zu wehren suchte, so ging auch der Transport von Briefen und Paketen nicht von heute auf morgen von den alten Posttransportmitteln auf die Bahn über. Die Strecke Mannheim - Heidelberg wurde nur für Reisende und ihr Gepäck betrieben und erst mit der Eröffnung der Strecke Heidelberg - Karlsruhe nahm die Eisenbahn den Gütertransport auf. 

Kurz zuvor wurde dem Großherzoglichen Postamt Heidelberg mitgeteilt: Im Monat April oder längstens mit dem 1ten May 1843 wird die Eisenbahnstrecke zwischen Heidelberg und Karlsruhe dem Verkehr eröffnet werden, und es werden daher mit dem gedachten Zeitpunkt die auf der Route von hier[Karlsruhe ] nach Mannheim und Heidelberg kursierenden Eil- und Packwägen und Briefposten ganz oder zum Theil eingehen, da die Beförderung der Postgegenstände, soweit sie zulässig ist, mittelst der Eisenbahnzüge zu geschehen hat.

Für die "Postgegenstände" und einen Kondukteur mußte die Eisenbahn ein Abteil zweiter Klasse, sonst für zehn Personen vorgesehen, zur Verfügung stellen. Es war immerhin verglast, während es in der dritten Klasse nur Stoffvorhänge als Wetterschutz gab und dachlose Stehwagen als billige vierte Klasse angeboten und eifrig benutzt wurden.

Der Kondukteur konnte in seinem Abteil nichts anderes tun wie der Postillion der Postkutsche. Der mußte an jeder Haltestelle Briefe in so genannten Lokal- bzw. Transit-Amtspaketen in Empfang nehmen bzw. abgeben. Dabei war jeweils eine Aufstellung der einzelnen Briefe und der bereits erhobenen bzw. noch zu erhebenden Porti ("Korrespondenzkarte"). Man bezeichnet das als Kartenschlußverfahren, von dem geschlossenen Behälter und dem Begleitpapier. Das Einsortieren der Briefe in die Amtspakete für jeweils alle Bestimmungs- bzw. Umarbeitungsorte und das Anfertigen der Korrespondenzkarte mußte also weiter in den Postämtern und Posthaltereien erfolgen. Bei größeren Postämtern waren das jedes mal zwischen 50 und 60 Kartenschlüssen, sowohl im Eingang als im Ausgang.

Da die badische Eisenbahn bis 1863 im Gegensatz zur Pferdepost nachts nicht fuhr (s. auch oben Verordnungs-Blatt Curs II -iV)

*) Der in Offenburg 7.10 Uhr Abends ankommende Güterzug gehr erst den anderen Morgen 8.00 weiter nach Freiburg ab.

mit geringen Ausnahmen

*) An den Theatertagen Sonntag und Mittwoch wird der Abgang der letzten Fahrt von Mannheim nach Heidelberg auf 10 Uhr Nachts und der Abgang von Friedrichsfeld auf 10.15 Uhr Nachts verlegt.

und die stoßweise Arbeit zunahm, kamen mehr und mehr Klagen über langsamere Briefzustellung als früher in der Postkutschenzeit.

Bahnpost.

Die Antwort darauf waren die zu Postbüreaux eingerichteten Transportwagen der Verordnung Nro. 3,448 (s. o.), in denen aufgelieferte Briefe während der Fahrt sortiert wurden, so daß an einem Bestimmungsort nicht eine Vielzahl von noch umzuarbeitenden Amtspaketen mit Briefen ankamen, sondern nur eines samt "Korrespondenzkarte". Die Briefe konnten nach kurzer Kontrolle gleich ausgetragen werden.

Diese ab 1875 Bahnpost genannte Einrichtung war keine badische Erfindung. In England hatte man 1837 erstmals Post mit der Bahn befördert und ab dem 17.9.1838 auch während der Fahrt zwischen London und Birmingham sortiert. Die Amerikaner waren ihnen damit zwischen Philadelphia und Baltimore fünf Wochen zuvorgekommen. Von dort stammt auch der erste bekannte Bahnpoststempelabschlag.

(Im Sammler-Echo hier Stempel Baltimore)

Auch Belgien (1841) und Frankreich (1846) hatten schon früher mit der Bahnpost begonnen. In Deutschland folgte auf Baden dann Preußen (1849), Mecklenburg-Schwerin (1850), Bayern und Sachsen (1851), Württemberg (1852), Hannover (1853) und Thurn und Taxis (1861).

Die Einzelaufzeichnung aller in den Briefbeuteln befindlichen Poststücke entfiel zum größten Teil gemäß den Bestimmungen des deutsch-östereichischen Postvereinsvertrages von 1850, dem 1851 alle deutschen Staaten beitraten, zu letzt 1852 die Fürstentümer Lippe-Detmold und Schaumburg - Lippe. Nur noch Transitbriefe für Staaten außerhalb des Postvereinsgebietes mußten in die "Korrespondenzkarten" eingetragen werden (mit klecksender Tinte in schaukelnden Postwagen). Transitbriefe innerhalb der Postvereinsstaaten, z. B. von Baden nach Oldenburg wurden zu den einheitlichen Postvereinsgebühren  ohne die früheren Transitgebühren befördert und vom Inhalt der Briefbeutel ("Felleisen") wie bei den innerbadischen nur die Anzahl der Poststücke festgehalten. Das waren deutliche Erleichterungen für die in sehr engen, von Briefbeuteln, gelegentlich auch noch mit Paketen vollgestopften Abteilen arbeitenden Beamten.

(Im Sammler-Echo hier Bild Sortieren der Post im Transportwagen)

Unter diesen Bedingungen konnte sich die Post halten und weiterentwickeln. Wir beobachten heute, wie sich verschiedene Telekommunikationsanbieter Konkurrenz machen und denken gar nicht daran, daß die Post schon einmal sehr bedroht war, als ihr die Eisenbahnen nach und nach die Reisenden abnahm. Thurn und Taxis versuchte sich lange aus Existenzangst mit allen rechtlichen Mitteln zu wehren. Es stellte sich dann aber heraus, daß der Reinertrag der T+T-Post nach den allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zwischen 1847 und 1855 in der Tendenz deutlich anwuchs.

Mit der Entwicklung des deutschen Eisenbahnnetzes

Jahr

Streckenlänge
in km

1840

548

1850

6.044

1860

11.660

1885

ca. 40.000

1910

61.148

und der Steigerung der Durchschnittsgeschwindigkeit der Bahn (von anfangs unter 30 km/h über 40 km/h Mitte der fünfziger Jahre und 100 km/h noch vor der Jahrhundertwende) wurde die Bahnpost zum Rückgrat der Post.

Wahrscheinlich kann man für die Weiterentwicklung der Leistung der Bahnpost irgendwo genauen Zahlen für einen langen Zeitraum auftreiben. Dem Verfasser stehen solche aber nur beispielhaft für Baden zwischen 1872 und 1896 zur Verfügung. In diesen 25 Jahren stiegen die Zahl der täglich zur Postbeförderung benutzten Eisenbahnzüge von 239 auf 554, und die jährlich zurückgelegten Kilometer von 3,80 Mio. auf 5,66 Mio. Die Zahl der in den Bahnpostwagen sortierten Briefstücke stieg sicher mit einem deutlich größeren Faktor, denn die Wagen wurden in dieser Zeit länger und breiter.

Höhepunkt und Niedergang der Bahnpost.

Berechnet für das Gebiet der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung zählte man 1940 insgesamt 1830 Bahnpostwagen. Die Entwicklung des Bestands an Bahnpostwagen von 1950 bis 1978 zeigt das folgende Diagramm.

(Im Sammler-Echo hier Diagramm zum Bahnpostwagenbestand 1950-1982)

Am 30. Mai 1997 war zwar nicht der Weltuntergang, wie es der Schlager aus den zwanziger Jahren ankündigte, aber es fuhren die letzten Züge mit Bahnpostwagen. Die Post fährt zwar nicht mehr mit Pferdewagen, aber mit Wagen mit größeren Pferdestärken wieder auf der Straße!! 

Wie kam es dazu?

Der obigen Kurve des Bahnpostwagenbestands ließe sich eine ganz andere gegenüberstellen: Die Entwicklung des Kraftfahrzeugbestands. Die Bahn mußte rationalisieren und viele Strecken stillegen, die nicht mehr rentabel betrieben werden konnten. Zu viele kamen mit dem Auto bequemer dahin, wohin sie wollten. Partiell konnten Post und Bahn entgegenkommen mit Omnibussen, aber für die Personenbeförderung mußte man gewöhnlich andere Zeiten wählen als für eine schnelle Postbeförderung. Die Post mußte und muß rationalisieren, weil sie ein sehr personalintensives Unternehmen ist.

Sie begann in den fünfziger Jahren mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe "Automatisierung des Briefdienstes" beim Posttechnischen Zentralamt in Darmstadt und einer ersten Verminderung der Zahl der Verteilpostämter auf weniger als die Hälfte. Außerdem wurden besondere Postzüge eingesetzt und die Einsätze der Bahnpostwagen mehr auf die Abend- und Nachtzeit konzentriert, um die Post schon am nächsten Morgen am Bestimmungsort verteilen zu können: Grundsatz E + 1. Dazu wurde auch das Nachtluftpostnetz eingerichtet mit dem zentralen Umschlagpunkt auf dem Frankfurter Flughafen. 

1961 wurden die Postleitzahlen eingeführt, die eine automatische Verteilung zu flächenmäßig abgegrenzten Leiteinheiten ermöglichten. Nach anfänglichen Diskussionen wurde das System überraschend schnell von den Postkunden akzeptiert. 1965 nahm die Post das erste vollautomatische Briefverteileramt in Pforzheim in Betrieb.

Man sammelte Erfahrungen, so daß Mitte der siebziger Jahre ein umfassendes Konzept für die Briefautomation erstellt werden konnte. Um es umzusetzen, mußte es in langwierigen Abstimmungsprozessen, auch mit den Personalvertretungen, konkretisiert werden.

Ende 1983 erwartete die Post, bei einem Bestand von 20 Anlagen bis 1990 alle 85 projektierten Anlagen in Betrieb zu haben. So ganz ausgereift waren diese Pläne wohl nicht. Sonst hätte man sich den Ausbau des Postamts am Mannheimer Bahnhof von 1983 bis 1987 sparen können.

(Im Sammler-Echo hier Bild  Paketverteilanlage im Postamt am Bahnhof (1987 -1994))

Denn schon 1994 wurde der Paketumschlag nach Speyer und im letzten November der Briefumschlag in das 29. der 83 geplanten Briefzentren in die Turbinenstraße verlegt, - aber ohne Gleisanschluß -, nicht weit von der Riedbahnlinie, auf der 116 Jahre lang Bahnpostwagen gerollt waren.

Die Bahnpost: Requiescat in pace?

Die Jüngeren unter uns werden es wahrscheinlich erleben: Die Bahnpost wird auferstehen, weil der
CO2-Ausstoß der Lastwagen pro Tonnenkilometer sehr viel höher ist als der der Bahn. Die im März 1900 abgemurksten Privatpostanstalten haben ja auch schon Nachfolger gefunden. .

Der Fortschritt, er lebe hoch!!

Dr. H.-J. Kessler, Mannheim im Juni 1997